Wie es geht

Rumen fragt. Ich hätte schon lange nichts mehr geschrieben. Da bin ich doch seit Freitag zurück in Deutschland und war bis Sonntag in Berlin-Falkensee, fuhr weiter nach Bremen und heute ist Mittwoch. Mag sein, dass dies „lange“ ist. Dabei ist einiges passiert in dieser kurzen Zeit. Ich konnte die neue Wohnung meiner Tochter kennenlernen und dort übernachten. Es ist, im Gegensatz zu Berlin-Tempelhof, wo sie zuvor wohnte mit ihrem Freund, ländlich. Der Blick vom Balkon geht nicht auf eine Häuserwand, er geht ins Grüne. Das ist ein Unterschied. Von Freunden angesprochen, wohin sie denn umziehen, waren diese entsetzt als sie hörten, es geht raus aus der Stadt, ins Grüne. Es gibt Menschen, die gehören in die Stadt und wollen nicht raus aufs Land. Freunde in Süddeutschland können sich überhaupt nicht vorstellen, in einer so flachen Umgebung zu leben wie wir in Bremen. In Norddeutschland, so wird erzählt, kann man am Morgen schon sehen, wer nachmittags zu Besuch kommt.

Was dem einen der freie, weite Blick, ist dem anderen die schützende Umgebung aus Bergen und Wäldern. Mich zieht es weder zum einen noch zum anderen. Lange Jahre habe ich im Südschwarzwald verbracht, auch in der Umgebung von Freiburg, dann wieder am Bodensee mit seiner ganz eigenen Topografie. Der Bergrücken hinter unserem Dorf war ein Überbleibsel aus der Eiszeit. Mit seinen 750 Metern Höhe war er ein willkommenes Fahrtziel für mich mit meinem eBike. Beim Hochfahren konnte ich spüren, was Adam Smith meinte, wenn er von der unsichtbaren Hand des Marktes sprach. Für mich war es jedoch die unsichtbare Hand meines Vaters, der mich schob, wenn ich auf meinem Roller neben seinem Fahrrad herfuhr. Wo ich mich zuhause fühle, hängt weniger davon ab, ob das Land flach oder bergig ist. Es sind die Menschen, mit denen ich zutun habe, die Begegnungen, die Kontakte. So wie eben, als ich mich mit meiner Frisörin unterhielt. Ich erzählte von Bulgarien, von der Natur, der reichhaltigen Ernte. Sie berichtete von Sibirien, ihrer Heimat, von der Natur, der reichhaltigen Ernte. Die ganze Badewanne war voll mit Pilzen, sie habe es gehasst, der Mutter beim Einmachen helfen zu müssen.

Als ich erwähnte, dass mir Bulgarien fremd war vor meinem ersten Kontakt mit Rumen, da nickte sie. Auch die Menschen hier hätten nie etwas über die Ukraine oder Russland gewusst. Russland vielleicht eher, weil ihre Vorfahren dort gewesen und zum Teil gefallen seien. Heute, da sie ständig mit dem Kriegsthema konfrontiert werden, sagen sie, die Ukraine gehöre zu Europa. Der Hinweis meiner Frisörin, dass dann auch Teile Russlands zu Europa gehören, lehnen sie heftig ab. Es kann ja nicht sein, was nicht sein darf. Der Russe ist slawisch, der Russe ist bösartig und überhaupt, zu keiner Empathie fähig. So dachten schon unsere Vorfahren, als sie mit großem Juchhe gen Osten zogen. Am Ende waren 27 Millionen Russen der Großmannssucht zum Opfer gefallen. Ich gehe gerne zum Frisör. Julia erinnert mich an solche Schrecken, die mit Krieg verbunden sind. Sie erinnert mich auch an das „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ das in Buchenwald auf einer Gedenktafel verewigt wurde.

Ein Gedanke zu „Wie es geht“

  1. …in Norddeutschland wird erzählt….dass man am Morgen schon sehen kann, wer nachmittags zu Besuch kommt….
    Nein, dass sehe ich als Hannoveranerin
    ….seit fast 20 Jahren in Bremen nicht so…

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