Vorbereitungen

Die Nacht hindurch und heute vormittag regnete es. Wir wollten nach Montana auf den Flohmarkt. Das ist Rumens übliches Wochenanfangritual. Über den Flohmarkt schlendern und schauen, was es dort alles gibt. Häufig findet er Fotomotive oder gar den ein oder anderen Gegenstand, der in seinen Haushalt passt. Dort lassen sich abgelegte Kleider aus Deutschland finden und alte Militaria aus Zeiten der DDR. Nun fiel dieser Besuch jedoch aus wegen Regens. Also nahmen wir unseren Einkaufszettel und fuhren nur zum Einkaufen nach Montana. Es ist der größere Ort hier in der Region und ungefähr 30 km entfernt von Spanchevtsi. Dort gibt es verschiedene Einkaufsmärkte und kleine Läden, wo all das auffindbar ist, was auf unserer Einkaufsliste steht. Rumen hat morgen seinen 59sten Geburtstag. Und wie das in Bulgarien so üblich ist, lädt das Geburtstagskind ausgewählte Nachbarn und Freunde ein. Wir sind zehn Leute, sagt Rumen, das Ehepaar aus Sofia, die nebenan ihr Häuschen haben. Der englische Freund Jerry mit Freundin, ein Deutscher aus der Umgebung, sein Bürgermeister Emil mit Sekretärin. Auch Baba Bora, die alte Nachbarin schräg gegenüber wird dabei sein. Ich sehe mich schon sitzen und staunen über all die vielen Erzählungen von denen ich keine einzige verstehe. Mit Jerry werde ich wohl Englisch reden oder ihm beim Reden zuhören.

Der erste Supermarkt war voll von Menschen. Sie seien wohl alle wegen des Regens da, denn sonst träfe man sie auf dem Flohmarkt, meint Rumen. Es gab nicht alles im ersten Supermarkt, also fuhren wir weiter zu Lidl. Wie anders ich mich fühlte beim Betreten dieses Ladens. Ich erkannte das ein oder andere Produkt wieder, die Einrichtung, die Weite der Gänge, die Sauberkeit. All das erinnerte mich an meine Einkaufserfahrungen zuhause. In den bulgarischen Supermärkten bin ich verloren, ich kann nicht erkennen, was sich in den angebotenen Verpackungen verbirgt. Manchmal taucht auch dort ein Etikett auf mit Worten wie Glasspüler, Bio-Nussmischung oder Gewürztraminer. Rumen erzählt vom bulgarischen Schnitzel, das zwar so heißt, jedoch aus plattgedrücktem Hackfleisch besteht. Manchmal ist trotz deutscher Bezeichnung nicht drin was draufsteht. Natürlich blieb nicht aus, dass ich auch Rumens Lieblings Secondhand Läden kennenlernte. Sie sehen aus wie Kleidergeschäfte, haben alle Waren ordentlich auf Kleiderständern sortiert und es gibt Hemden, Hosen, T-Shirts, Röcke, Kleider und Schuhe für 5 bis 20 Lewa zu kaufen. Der eine Laden zeichnet sich dadurch aus, dass er seine Waren zu bestimmten Wochentagen zu besonderen Preisen anbietet.

Der besondere Charme einer vergangenen Zeit.

Es musste noch Mehl eingekauft werden und Rakia, das Nationalgetränk der Bulgaren. Rakia ist ein Obstbrand, der aus Früchten wie Trauben, Pflaumen, Pfirsichen und Aprikosen hergestellt und destilliert wird. Die Bulgaren trinken ihn zum Salat. Ganz besonders gerne zum Schopska Salat, einer Mischung aus Tomaten, Gurke, geriebenem Schafskäse und gerösteten Paprikaschoten. Und weil das Schälen und Rösten der Paprikaschoten so aufwändig ist, werden die Paprikaschoten roh verwendet. Der Salat sieht recht bunt aus und wer genau hinschaut, wird erkennen, dass er die Nationalfarben der bulgarischen Flagge zeigt.

Chopska Salat https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en

Von Montana habe ich nicht viel mehr gesehen als die Supermärkte und die Secondhand Läden. Es gibt dort zwar Parks mit Brunnen, doch sind diese bei Regen nicht besonders besuchenswert. Manche Gebäude sind auch in Montana schon verfallen, andere sehen so aus als würde sie bald das selbe Schicksal treffen. Wir packten unsere sieben Sachen und machten uns auf den Heimweg.

Bulgarische Version eines Plattenbaus.

Was mir schon bei meinen ersten Besuchen in Bulgarien aufgefallen war, sind die öffentlichen Bekanntmachungen in der Nähe von Kirchen und Friedhöfen. Dort sind Wände oder Zäune zu sehen, die übersäht sind mit Todesnachrichten von Verstorbenen. Manchmal sind auch ähnliche Blätter zu sehen, die nach drei oder mehr Jahren an die Verstorbenen erinnern. Es ist eine alte bulgarische Tradition, некролози“ (nekrologi) genannt. Die orthodoxe Kirche schreibt vor, dass zu bestimmten Zeiten der Verstorbenen gedacht wird. Zum Beispiel am 9., 20., 40. Tag nach dem Tod, sowie nach 3, 6 und 12 Monaten, dann jährlich werden neue Nekrologe angebracht. Sie zeigen, dass man die Verstorbenen nicht vergessen hat.

Nekrologe an einer Hauswand in Montana.

Bevor wir zuhause eintrafen, musste noch Wasser abgefüllt werden an einer der vielen Quellen, die es rund um Spanchevtsi gibt. Rumen kennt sich aus und weiß, dass er seine leeren Wasserflaschen mit ins Auto nimmt, wenn er unterwegs ist.

Rumen sitzt an der Quelle.

Ein Gedanke zu „Vorbereitungen“

  1. Danke, dass du uns auf diese exotische Reise mitnimmst. Dein Bericht transportiert in so wenigen Sätzen so viel, dass ich mich immer mal wieder denke: Aus dem wäre ein guter Reporter geworden. Aber jeder hat seine Gründe, wohin es einen (nicht) zieht. Schreiben ist offensichtlich immer ein Hobby geblieben. Das ist auch gut so – denn wenn man das Hobby zum Beruf macht, hat man kein Hobby mehr.
    Aber zu deiner Reise: Wer hat schon die Möglichkeit, so hautnah am bulgarischen Leben teilzunehmen? Danke, dass du all das mit uns teilst. Mir kommt das ganze vor wie ein Film, die ich schon lange mal sehen wollte.

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