Veränderung

Wenn ich aus dem Haus gehe zum Einkaufen, dann komme ich an dieser Hauswand vorbei. Ich frage mich, worin ich mich da üben soll, wenn ich mich verändere. Was möchte ich in der Welt verändern? Und schon da fängt das Problem für mich an: DIE Welt? Sie besteht aus so vielen Ländern, so vielen Menschen, so vielen Regierungen, mit so vielen unterschiedlichen oder auch ähnlichen politischen Richtungen. Verändern?

Ich wünschte mir mehr Frieden auf dieser Welt, ein stärkeres Miteinander statt dem Gegeneinander. Ich wünschte mir auch mehr Gerechtigkeit und vor allem, dass es endlich gelänge die soziale Frage zu lösen. Wo kann ich mit diesen Wünschen bei mir beginnen?

Heute Abend saß ich mit zwei Menschen in einem ZOOM-Dialog. Wir hatten uns dazu verabredet, zu einem Thema die Methode des Sprechen-und-Zuhören anzuwenden. Jede Person spricht vier Minuten, die anderen hören zu. Nachdem eine Runde rum ist, folgen zwei weitere Runden zum selben Thema und der selben Zeiteinteilung. Heute ging es um das Thema Vorurteile. Ich hatte es vorgeschlagen, weil mir wieder einmal auffiel, wie belastet ich bin mit Vorurteilen. Ich war in der Innenstadt und schon auf dem Weg dorthin sehe ich Menschen, höre ich Menschen und bewerte ich diese. Warum trägt jemand so viel Metall im Gesicht? Warum läuft jemand mit zerrissenen Hosen herum? Warum telefoniert jemand wild gestikulierend in Mitten all der anderen Menschen? Warum, warum, warum. Mit jeder Frage offenbare ich mein Unverständnis. Jede Frage zeigt mir, worüber ich stolpere, was mich triggert.

Dahinter verbirgt sich meine Vorstellung davon wie „man“ zu sein hat. Wie „man“ sich verhalten sollte. Alles, was mir auffällt, weicht ab von dem, das mir bekannt ist. Hosen müssen ordentlich sein. Haare von Männern nicht lila gefärbt. Auch die Fingernägel eines Mannes dürfen nicht lackiert sein. Menschen aus anderen Kulturen müssen sich zurückhaltend (demütig?) im Straßenbild bewegen, dürfen nicht auffallen. Und, wie es mir manchmal in den Sinn kommt: Wenn ich so herabgekommen daherkäme wie jener Penner, dann würde ich mir nicht erlauben so laut und egozentrisch daherzureden. Alles verweist auf mich, auf meine Glaubenssätze, auf meine Kindheitserfahrungen, meine Erziehungsmuster, meine bürgerliche Herkunft. Die Enge des Elternhauses zeigt sich mir in solchen Wahrnehmungen.

Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt. Ich muss bei mir anfangen, wenn ich will, dass mehr Toleranz und Vielfalt möglich wird. Anfangen auch damit, die Gegensätze, das Anderssein zu lassen, nicht zu bewerten. Auch mich darin zu üben, auf das zu schauen, was uns als Menschen gemeinsam ist. Manchmal gelingt es mir, wenn ich mich daran erinnere, wie ich einen mir fremden Menschen im Sterben begleiten durfte. Unser aller Leben ist endlich. Darin sind wir uns alle gleich. Und auch darin, dass wir alle einmal in einem Mutterleib heranwuchsen und geboren wurden. Geburt und Tod verbindet uns. Das ist doch schon mal ein Ansatz, im Erinnern daran mit dem Bewerten, dem Zuordnen, dem Verurteilen aufzuhören.

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