Mein Freund Robbi

Das Couch-Surfing in einer fremden Wohnung birgt einige Überraschungen. Für meine Woche Schreibwerkstatt hatte ich mich bei Max, unserem Sohn, eingenistet. Er wohnt mit seiner Freundin mitten in der Stadt. Schlimmer noch, direkt vor einem der Stadttore, dem Schwabentor. Das Schlimme daran sind die Stadtführungen, die das Tor auf ihrem Programm haben. Also gibt es fast täglich bis zu vier Vorträge über das Tor, die Figuren auf dem Relief und deren Geschichte. Auf deutsch, englisch, französisch und spanisch. Gut, dass ich wenigstens den Vormittag im gemütlichen Weinbauort Pfaffenweiler verbringe. Ein Teil der Vorträge bleibt mir dadurch erspart. Komme ich mittags zurück und setze mich an meine Hausaufgabe, dann dringen durch die mehrfach verglasten Fenster nur gedämpfte Geräusche der Stadtführer, Telefonierer, Touristenschwärme, Lieferanten und Straßenbahnen.

Daran gewöhne ich mich allmählich. Ein neues Geräusch lässt mich jedoch aufhorchen. Ein feines Summen, das aus verschiedenen Richtungen zu kommen scheint. Mein Tinnitus ist es nicht. Es ist, als bewegte sich etwas im Nachbarzimmer. Als ich auf den Flur gehe und in jenes Zimmer schaue, da sehe ich durch die geöffnete Tür ein Etwas, das sich über den Fußboden bewegt. Mögliche Füße oder Räder sind nicht zu erkennen. Das Ding ist groß wie ein Kuchenteller und hoch wie eine Schwarzwälder Kirschorte. Auf der Oberseite leuchtet ein Auge grün. Das kann nur Gutes bedeuten, denke ich mir. Rot wäre besorgniserregend. Ich habe so ein Ding nicht zuhause und kenne kaum Menschen, die es bei sich im Einsatz haben. Es ist ein Saugroboter. Sind die Bewohner aus der Wohnung, so beginnt er seine tägliche Arbeit. Er verlässt seine Garage und Ladestation im Bad, fährt auf die Türschwelle zu, überklettert diese elegant und zieht seine Kreise über den Flurboden. Eigentlich sind es schlingernde Bewegungen und mir ist die dahinterliegende Systematik noch nicht klar. Nach einer Weile verlässt er den Flur, arbeitet sich über die nächste Türschwelle hinweg und erkundet das Schlafzimmer.

Weil er mir gleich so sympathisch ist, nenne ich ihn Robbi. Offensichtlich ist er nicht auf ein Schwätzchen aus und ich setze mich wieder an meine Hausaufgabe. Nach einer Weile höre ich nichts mehr und fange an, mir Sorgen zu machen. Ist er zurück in seiner Garage, um neue Energie zu tanken? Entleert er seinen Staub in dem dafür vorgesehenen Absaugbehälter? Ist ihm was zugestossen? Ich stehe auf, gehe in Richtung Badezimmer und sehe ihn dort liegen auf der Schwelle zum Flur. Kein grünes Auge blickt mich an, es ist eher schwach rötlich, leicht blinkend. Alles an Robbi scheint saft- und kraftlos. Was ist passiert? Hat sein Herrchen ihn falsch programmiert? Er tut mir leid, so wie er daliegt. Vielleicht kann ich ihm helfen, wenn ich ihn zurück in seine Ladestation transportiere. Ich bücke mich, schiebe meine Hände rechts und links unter den Metallkoloss und versuche ihn vom Boden hochzuheben. Er ist nicht nur schwer, er saugt sich fest am glatten Boden. Anheben geht nicht, schieben auch nicht. Also lasse ich ihn liegen in seinem Elend. Mag sein, dass sich Robbi eine Auszeit nimmt und nicht gestört sein möchte. So, wie ich es bei mir selber kenne, wenn mir alles zu viel wird. Nur sauge ich mich nicht am Fußboden fest, ich bevorzuge meinen bequemen Sessel.

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