Kriegstüchtig

Vielleicht passt es zum Karfreitag, dieses düstere Bild. Ich hatte mich beim Frühstücken wieder einmal eingelesen in die bundesdeutsche Presselandschaft mit ihrer Lüsternheit nach Krieg. In den Bremer Grundschulen sollen die kleinen Kinder in Erster Hilfe ausgebildet werden, fordert die hiesige CDU. Wann kommt die Forderung nach der Ausbildung im Nahkampf, dem Gebrauch von Waffen? Der Pazifismus sei in deutsche Gene eingeschrieben, sagt Frau Miosga im Interview mit Joschka Fischer. Der muss es wissen, war er doch selbst als grüner Pazifist zum Kriegsbefürworter mutiert. Merz möchte Langstreckenraketen nach Moskau schicken und der Politikwissenschaftler Carlo Masala gibt zum besten, dass die Aufforderung „Nein, meine Söhne gebe ich nicht“ paternalistisch sei. Er fragt nach dem Menschenbild hinter dieser Aussage und möchte seinen Kindern nicht bevormundend im Wege stehen.

Ach ja. Und wenn mein Sohn in den Krieg ziehen möchte, um für die Interessen jener, die nicht in den Krieg ziehen, sein Leben zu lassen, dann werde ich nicht stumm daneben stehen. Und wenn meine Tochter für jene in den Krieg ziehen möchte, die ihre Werte am Donbas verteidigen wollen, dann werde ich auch nicht stumm daneben stehen. Da erinnere ich mich gerne an Wolfgang Borchert und seine Aufforderung „Sag nein!“. Ich war also wieder unterwegs in den Artikeln der Kriegstreiber, der Aufrüstungs-Maniker, der Verkünder von drohenden Apokalypsen, die sie selber herbeischreiben. Und das an einem Karfreitagmorgen. Was lag da näher, als sich mit ChatGPT zu beschäftigen? Ich hatte mich erinnert an ein Bild, das in einer WG-Küche hing, Ende der siebziger Jahre. Zwei alte Partisanen, offensichtlich ein Ehepaar, saßen an einem Küchentisch und putzten ihre Kalaschnikow. Immer mal wieder, wenn ich mich mit den Ausführungen von Kriegsbefürwortern und Kriegsgegnern überfüttert hatte, dann fiel mir dieses Bild ein. Meine Suche im Internet war erfolglos geblieben. Ich fand keine Entsprechung.

Daher schilderte ich ChatGPT meine Erinnerungen und forderte es auf, mir ein Bild zu erstellen. Das Bild kam meiner Vorstellung sehr nahe. Was mich freute und erschütterte, denn welche Bilder geistern im Netz umher, die auf ähnliche Weise enstanden sind? Is this the real life? Is this just fantasy? fragt Queen in ihrer Bohemian Rhapsody. Das ist vielleicht jetzt schon schwer zu unterscheiden. Ich bat ChatGPT das eher düstere Bild der ärmlichen Partisanen in die Jetztzeit zu versetzen. Vielleicht, so dachte ich, wird es Zeit, sich am Handwerk mit der Waffe zu üben? Das Bild wurde grandios, es zeigt ein modernes älteres Ehepaar in einer Reihenhaussiedlung am Tisch bei der Waffenpflege. Bin ich jetzt total verrückt geworden? Den anderen werfe ich die Kriegshetze vor und selber phantasiere ich mich in den bewaffneten Widerstand. Vielleicht ein Zeichen meiner Hilflosigkeit? Der Sohn eines Großonkels wollte seine Einberufung zum Wehrdienst verweigern. Mir war es gelungen durch ein psychiatrisches Attest, nachdem ich die Verhandlung vor Gericht verloren hatte. Meine wirklichen Gewissensbisse wurden mir nicht abgenommen. Heute, wenn ich die Phantasie des bewaffneten Widerstands mir anschaue, kann ich das nachvollziehen.

Ich erinnere mich noch gut an die Aussage meines Vaters, den Barras, den säße ich doch auf einer Arschbacke ab. So wie er, der sich als Überlebender darüber ereifern konnte, dass er von einem Unteroffizier gestriezt wurde. Die zehn Liegestützen im Matsch musste er noch mal machen, als Gymnasiast wüsste er doch, dass man beim Zählen mit Null anfängt. Aber all das ist lange her. Lange her ist auch die Selbsttötung meines Groß-Cousins. Er hatte sich das Leben genommen, um dem Wehrdienst zu entgehen. Sein Vater nannte sich ab da Vater eines Selbstmörders. Er hatte wohl verstanden.

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