Es sei wohl das Schlimmste, was einem intelligenten Menschen vorgeworfen werden kann, sagte ich eben noch zu Kerstin. Sie meinte zuvor, da sei sie dann eben naiv, wenn sie dieses oder jenes nicht weiter kümmere. Doch von vorne. Es ging, wie kann es anders sein zu diesen Zeiten, um Langstreckenwaffen, um Ziele im Inneren Russlands, um den Stellvertreterkrieg der NATO in der Ukraine. Je mehr ich darüber lese, wozu die Mächtigen dieser Welt in der Lage sind, um so mehr bekomme ich Angst.
Heute morgen fiel mir ein, dass ich keine Ahnung davon habe, was „Krieg“ bedeutet. Ich hatte gestern noch in einem Büchlein gelesen über ein Stadtviertel hier in Bremen. Darin wird dargestellt, wie sich manche Straße, manche Kreuzung verändert hat nach den Flächenbombardements 1945. Meine Bilder im Kopf zeigen mir Krieg als verwüstete Städte, als schlammige Landschaften mit zerstörter Natur und skelettartigen Militärfahrzeugen. Der moderne Krieg sieht anders aus, vermute ich. Pistorius will die Wehrpflicht wieder einführen, will in den Schulen für das Kriegshandwerk trommeln. Auch andere Politiker sind bereit, deutsche Langstreckenwaffen nach Kiew zu verlegen. Die Schweden erhalten jetzt die Aufforderung, sich Wasservorräte zuzulegen und ein vom Strom unabhängiges Radio.
Als Leser der Berliner Zeitung werde ich auch mit anderen Themen konfrontiert. Zum Beispiel den Klimawandel und die immer wieder heraufbeschworenen Klimaflüchtlinge, die eigentlich Armutsflüchtlinge sind. Auch die Forderung nach einer Aufarbeitung der Pandemie-Maßnahmen, die längst überfällige Entschuldigung gegenüber den Opfern von Lockdowns und „Impfungen“. Als intelligenter Mensch sollte oder müsste ich mich um all diese Themen kümmern. Ich müsste mich einlesen, müsste mich mit all deren Facetten vertraut machen. Dies alles, damit ich informiert bin. Damit ich mitreden kann. Damit ich zeigen kann, dass ich ein für das Allgemeinwohl nützlicher Bürger bin, der sich für seine politische und soziale Mitwelt interessiert.
Dabei merke ich, dass ich den Boden unter den Füßen verliere. Wenn ich mir all dieses Elend zu Gemüte führe, dann werde ich ängstlich. Dann gerate ich in einen Strudel der Hoffnungslosigkeit. Besonders dann, wenn ich mir überlege, dass all die Informationen, die ich erhalte, manipuliert sein könnten. Dass diese Nachrichten und Berichte einem einzigen Zweck entstammen, mich zu verwirren. Was tatsächlich wahr ist, weiß ich nicht. Zu jedem Bericht finde ich einen, der genau entgegengesetzt argumentiert. Mein Besuch bei der alten Dame im Altenheim, die im Sterben liegt, ist echt. Da fühle ich mich wirksam, auch wenn ich nichts tun kann. Meine Begegnung mit Menschen aus meiner Umgebung ist echt, die ist für mich spürbar. Das Öffnen der Eingangstür, um dem Paketboten ein Päckchen für die Nachbarn abzunehmen, ist für mich erfahrbare Wirklichkeit.
Ich möchte nicht durch Berichte und Nachrichten in eine geistige Verfassung geraten, die mich zum hilflosen und abhängigen Opfer werden lässt. Keinen Einfluss, keine Selbstwirksamkeit, keine Mitsprache zu haben, das macht krank. Ich konzentriere mich auf die Dinge, die mich nähren, die mich meine Lebendigkeit und Mitmenschlichkeit erfahren lassen. Diese Konzentration auf das Wesentliche gelingt mir, wenn ich das Weltgeschehen soweit wie möglich ausblende. Das, was da draußen passiert, passiert auch, wenn ich nichts darüber weiß. Bin ich jetzt naiv?
Wenn ein General beschreibt, was passieren könnte, dann könnte dies womöglich so aussehen wie hier im Auszug wiedergegeben.