Glottisschlag

Bislang sind mir nur sehr wenig Menschen begegnet, die in ihrem Sprechen darauf aufmerksam machen, dass sie es genau nehmen. Dass sie, wenn vom Bäcker die Rede ist, auch die Bäckerin mit meinen. Also sprechen sie von Bäcker:innen oder Bäcker*innen oder BäckerInnen. Geschrieben ist es in meinen Augen genauso umständlich lesbar wie das Pausieren im Sprechen hörbar. Die Sprachwissenschaft nennt diese künstliche Pause Glottisschlag. Mir gelingt es kaum noch konzentriert zuzuhören, wenn mir dieser begegnet. Beim Lesen geht es mir genauso, es widerstrebt mir, mich diesen Sprech- und Schreibgewohnheiten mental anzupassen.

Vorhin erinnerte ich mich an einen Vorfall, wo dieses „korrekte“ Sprechen eingefordert wurde. Eine Autorin hat aus ihrem Buch gelesen mit dem Titel „Vom ersten bis zum letzten Atemzug“. Sie schreibt darin von ihren Erfahrungen als Hebamme und Bestatterin. Bei Ihrer Lesung kommt sie nicht umhin, von der Frau als Gebärende und Mutter zu sprechen. In meiner Vorstellung waren es bisher Frauen, die gebären und Mutter werden. Nun gab es eine Fragerunde am Ende der Lesung. Alle Fragen bezogen sich auf das Vorgelesene, die Inhalte. Eine Frage jedoch wurde gestellt zur Art des Sprechens. Die junge Fragestellerin wollte von der Autorin wissen, ob sie sich vorstellen könnte zukünftig von „Menschen mit Gebärmutter“ zu sprechen statt von Frauen.

Weil, es gibt ja nicht nur Frauen und Männer. Und wenn wir in unserem Sprechen und Schreiben diese bisherige Zweiteilung aufrechterhalten, dann diskriminieren wir all jene, die sich diesem Schema nicht zuordnen wollen. Die Autorin konnte sich gut aus der Misere befreien. Sie bemerkte, dass sie bisher keine Zeit gehabt habe darüber nachzudenken. Ob sie sich zukünftig diese Zeit nehmen wird, das verriet sie nicht. Das Ansinnen oder gar die Aufforderung, im Sprechen und Schreiben immerzu darauf zu achten, alle Geschlechter mit zu nennen, stösst bei mir auf Wiederstand. Ich fühle mich bevormundet. Als käme diese Anweisung von einer Art Sprachpolizei. Abgesehen davon wird dabei immer wieder vergessen, dass das grammatische „Geschlecht“ (genus) nichts zu tun hat mit dem natürlichen Geschlecht (sexus).

Vorhin, beim Lesen der Berliner Zeitung, begegnete mir eine andere Form der vermeintlich sprachlichen Korrektheit. Will jemand nicht ständig von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, von Zuhörern und Zuhörerinnen sprechen, dann kommt die Verlaufsform ins Spiel. Da werden dann Teilnehmende und Zuhörende auf die Bühne gebracht. Allerdings kommt es mir sonderbar vor, wenn von Teilnehmenden eines Kurses gesprochen wird, die ja vor und nach dem Kurs gar nicht mehr teilnehmen. Die Teilnehmerin eines Kurses ist nach einem Kurs nicht mehr teilnehmend, das kann sie nur während des Kurses sein. Bin ich jetzt zu kleinlich?

Vorhin in der Berliner Zeitung war von „Erwachsenden“ die Rede. Da hat dann wohl jemand übers Ziel hinausgeschossen. Erwachsene können sowohl Männer als auch Frauen als auch alle Menschen mit transsexuellen Identitäten beinhalten. Ab einem bestimmten Alter spricht man von Erwachsenen. Wären sie erwachsend, dann müsste dieser Prozess beobachtbar sein wie das Rauchen der Raucher als Rauchende. Nach der Zigarette kehren sie in die Innenräume zurück und sind nur noch Raucher. Ab wann sind Erwachsende erwachsen?


Mehr zum Thema lässt sich in einem kleinen Büchlein finden aus dem Herder Verlag: „Die Wokeness Illusion„, herausgegeben von Alexander Marguier und Ben Krischke.

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