Sirenenalarm

Punkt zwölf Uhr war eine Sirene zu hören. Mich erinnert solch ein Probealarm an meine Kindheit auf dem Dorf. Wenn dort die Sirene erklang, dann fingen wir an genau hinzuhören. War es Feuer- oder Fliegeralarm? Wobei in Friedenszeiten ein Fliegeralarm recht unwahrscheinlich war. War es ein auf- und abschwellender Heulton oder ein langgezogener? Letzterer war Zeichen für Entwarnung, der andere alarmierte die freiwillige Feuerwehr. Dann galt es hinaus zu laufen und zu schauen, ob gar das eigene Haus betroffen war.

Ältere Menschen, so auch meine Eltern, hatten andere Erfahrungen mit Alarmtönen. Sie mussten während des Krieges ihre sieben Sachen packen und in den Keller oder einen Schutzbunker rennen. Die sieben Sachen waren zu jener Zeit meist schon gepackt und standen in Form eines Handkoffers im Flur. Mein Weg als kleiner Junge verlief an alten Häusern vorbei, woran Pfeile zu sehen waren, die auf Kellerfenster zeigten. Der Hinweis auf den Schutzraum im Mehrfamilienhaus. Hier waren möglicherweise Überlebende zu finden, nachdem das Haus im Bombenhagel zerstört wurde.

In Bremen gibt es von ehemals 130 Bunkern noch 100. Die meisten in Form von Hochbunkern. Diese sind von Weitem schon zu sehen, da sie die umliegenden Häuser überragen. Ebenso wie die Pfeile an den alten Häusern meiner Kindheit erinnern mich diese Hochbunker an die Kriegserlebnisse und -erzählungen meiner Elterngeneration. Waren die Eltern noch im Kindesalter, so wurden sie aus den Betten geholt und die Treppen herunter getragen in den Schutzraum. Ein kühler, dunkler Kellerraum, der keine besondere Schutzvorkehrungen aufwies. Er stützte die Hoffnung, dass es unter der Erde ein Überleben geben könnte.

Die Bremer Hochbunker sind Zeitzeugen. Sie stehen in meiner Wahrnehmung für eine Zeit, die viel Not, Leid und Elend über die Menschen brachte. Die Älteren erinnert das Heulen der Sirenen noch heute an jene schrecklichen Erlebnisse ihrer Kriegskindertage. Mich als Nachfahre der Kriegskinder erinnern sie an deren Erzählungen. Auch, wenn diese Bunker Schutz versprechen, so kann ich mich an ihrem Anblick nur wenig erfreuen. Sie verweisen auf die Zerstörungen, die im Krieg angerichtet werden.

Mich mahnen sie als Gedenkstätten an das „Nie wieder!“. Leider scheint es immer mehr Menschen zu geben, die diese Erinnerungen nicht teilen. Und jene, die für Frieden auf die Straße gehen, werden beschimpft, diskriminiert und herabgewürdigt. Offenbar gilt es, kriegstüchtig zu werden und sich gedanklich darin zu üben, sich einem Feind und seinen Bombardierungen ausgesetzt zu sehen. Ob die Schutzanlagen des letzten Krieges noch Schutz bieten gegen die bunkerbrechenden und atomaren Waffen der Jetztzeit?