In der Regel lese ich ständig irgendwas. Morgens beim Frühstück die Berliner Zeitung online. Tagsüber werfe ich immer mal wieder einen Blick rein. Im Zusammenhang mit meiner Lernprozessbegleitung lese ich die ein oder andere Projektdokumentation. Dann gibt es auch Inhalte zu meinen Online-Sitzungen, die ich mir vorbereitend zu Gemüte führe. Abends schnappe ich mir ein Buch, das ich tags zuvor angefangen hatte. Im Bett lese ich in meinem eBook Reader eine weitere Geschichte von Peter Bichsel. Nachts, wenn ich aufwache, nehme ich mir die nächste Geschichte vor, um wieder einzuschlafen. Interessant fand ich eine Stelle, wo Bichsel darauf hinweist, dass es Menschen gibt, die lesen um des Lesens Willen. Ich glaube, zu diesem Menschenschlag zähle ich auch.
Ich bin manchmal richtig erschrocken, wenn mir jemand erzählt, er liest nicht. Oder jemand berichtet davon, dass er ein Buch mit in den Urlaub nahm, es jedoch nicht gelesen habe. Dabei sei der Urlaub die einzige Zeit, wo er Zeit zum Lesen hätte. Nun weiß ich aber auch, dass ich viel Gelesenes anderntags gar nicht mehr erinnere. Dies passiert mir besonders beim Zeitungslesen. Ist vielleicht auch gut so, ich müsste sonst in eine tiefe Depression verfallen. Interessant wird es für mich, wenn ich mich an die ein oder andere Episode erinnere. Oder gar an einen Satz, den ich mir aus welchen Gründen auch immer merken konnte. Früher blieb es nicht aus, dass ich in Gesprächen Zitate einbaute. Meist von irgendwelchen bekannten Leuten. Je nach Gesprächspartnern, waren das Schriftsteller, Philosophen oder einfach nur Kleinkünstler und Liedermacher.
Was ich damit zeigen wollte? Vielleicht meine Belesenheit? Es gibt ja auch Zitate, die bringen auf den Punkt, was gerade im Gespräch Thema war. So erscheint mir immer wieder passend eine Passage aus Goethes Leiden des jungen W. Darin weist er auf ein Problem hin, das heute noch aktuell ist: „Es ist ein einförmiges Ding um das Menschengeschlecht. Die meisten verarbeiten den größten Teil der Zeit, um zu leben, und das bißchen, das ihnen von Freiheit übrig bleibt, ängstigt sie so, daß sie alle Mittel aufsuchen, um es los zu werden.“ Nun ist es mir doch wieder gelungen, dieses Zitat einzubauen. Es hatte sich eingebrannt in mein Gedächtnis vor mehr als fünfzig Jahren. Vertreibe ich mir das bißchen, das mir von Freiheit übrig bleibt, durch Lesen? Als ich noch auf der Suche war nach einem Psychologen, der mir die Wehruntauglichkeit bescheinigt, da traf ich einen, der mir gleich im Kennenlerngespräch einen sonderbaren Vorschlag machte: Ich möge mir einen Reisegewerbeschein ausstellen lassen, Strohschuhe flechten und auf dem Markt verkaufen.
Auch eine Möglichkeit Zeit loszuwerden. Was es mit dem Titel dieses Blogbeitrags auf sich hat? Es ist ähnlich wie mit dem Buchtitel „Meine Psychose, mein Fahrrad und ich“ von Fritz B. Simon. Er macht neugierig auf das Buch und dessen Inhalt. Über das Fahrrad wird tatsächlich nichts berichtet darin. Mein Beitragstitel ist mir heute im Verlauf des Tages eingefallen. Es ist ein Überbleibsel aus einer Zeit, als ich noch mit Akronymen und Abkürzungen unterwegs war, um lange Sätze zu meiden. Die Abkürzungen wurden in den Newsgruppen verwendet, damals, als ich noch mit einem Modem ins Netz musste und Zeit Geld war. Also hielt ich mich möglichst kurz. Wenn mal wieder jemand in ausschweifenden Sätzen seine Meinung kundtat und meine Zeit stahl, erhielt er als Antwort tl;dr. Ausgeschrieben heißt es „To long; didn’t read“. Zu lang, hab ’s nicht gelesen.
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