Trau‘ dich

Bisher lesen meinen Blog Menschen, die ich dazu eingeladen habe. Freunde, Freundinnen, gute Bekannte. Alles Menschen, denen ich vertraue. Eigentlich könnte es ja egal sein, wer meine Blogbeiträge liest. Ich berichte darin von meinen Beobachtungen, meinen Gedanken zu diesem und jenem. Und einiges davon ist doch recht privat. Deshalb gibt es auch diesen Passwortschutz. Wer das Passwort kennt, darf mitlesen. Alle anderen bleiben draußen. Bisher war das für mich in Ordnung und es hat sich auch niemand beschwert. Umständlich war, dass keine Benachrichtigung stattfand, wenn ich einen neuen Beitrag erstellt hatte. Das konnte ich mittlerweile beheben. Wer mag, kann sich mit seiner E-Mail Adresse anmelden und erhält eine Benachrichtigung, wenn es was Neues gibt.

Seit einiger Zeit treibt mich der Gedanke um, diese Passwortsperre aufzuheben. Der Gedanke ist reizvoll, denn ich könnte noch mehr Menschen an meinen Gedanken und Geschichten teilhaben lassen. „Danke, dass du uns daran teilhaben lässt“, schrieben mir Freunde, nachdem ich sie zum Blog eingeladen hatte. Herbert schrieb mir „Der Inhalt deines Blogs ist zu wertvoll, um ihn hinter ein paar Buchstaben zu verstecken.“ Ich hatte ihn nach seiner Einschätzung gefragt. Wertvoll. Meine Motivation zum Schreiben liegt in erster Linie darin, meine Beobachtungen und Gedanken zu fassen, in den Griff zu bekommen. Wenn ich dann noch erfahre, dass anderen Menschen dies gefällt, dann ermutigt mich dies, weiterzumachen. Bisher erhielt ich nicht viele Rückmeldungen oder Kommentare, sie lassen sich an einer Hand abzählen. Ich fische somit im Trüben. Auch hinsichtlich der Zugriffe, der Häufigkeit der Aufrufe und überhaupt. Eigentlich weiß ich gar nicht, ob die Texte gelesen werden.

Das macht erstmal nichts. Ich schreibe sie ja auch für mich. Aber warum dann der Öffentlichkeit (bislang meiner privaten) preisgeben? Nun, es liegt mir nicht, Texte für die Schublade zu schreiben. Zu wissen, da ist etwas passiert, das möchte in Worte gefasst werden, spornt mich an. Das Format Blogbeitrag gibt mir einen Rahmen, der mir beim Formulieren hilft. Als schriebe ich Kolumnen für eine Zeitung, so kommt es mir vor. Fast regelmäßig erzähle ich aus meinem Leben, teile ich mich mit. Und an dieser Stelle kommt die Frage nach dem Mut. Ich öffne mich, wenn ich das Passwort entferne, anderen Menschen. Menschen, die ich nicht kenne, von denen ich nicht weiß, wie sie mir gesonnen sind. Doch was könnte passieren? Sollte jemand nicht einverstanden sein mit dem, was ich da produziere, dann liest er nicht weiter. Sollte sich jemand empören wollen über meine Ansichten und Darstellungen, dann bliebe ihm die Kommentarfunktion. Ob der Kommentar veröffentlicht wird, dies habe ich in der Hand.

Wozu benötige ich dann Mut? Das letzte Mal, dass ich auf einem Zehn-Meter-Sprungturm stand, ist lange her. Ich spüre jedoch heute noch, wie mir zumute war. Ich hatte mich hochgetraut, weil alle Freunde auch schon gesprungen waren, jetzt war ich dran. Ich wollte nicht kneifen. Ich wollte dazu gehören. Von unten betrachtet, war der Turm in der Schwimmhalle nicht sehr hoch. Von oben aus allerdings schon. Ich stand unter Beobachtung, es wurde von mir erwartet, dass ich springe. Nachdem ich mehrmals an die Kante vorgegangen war und hinabsah, nahm ich Anlauf und sprang. Nein, kein Kopfsprung, kein doppelter Flickflack oder irgendetwas Elegantes. Es war ein krampfartiges Fallen mit eben noch angezogenen Beinen auf eine ziemlich harte Wasseroberfläche. Und es war das letzte Mal, dass ich aus solch einer Höhe sprang.

Der Inhalt meines Blogs sei zu wertvoll, um ihn hinter Buchstaben zu verstecken, schreibt Herbert. Ich werde also springen und den Passwortschutz aufheben. Und ich werde schauen, was passiert. Es wird nicht vergleichbar sein mit dem Aufprall auf der Wasseroberfläche. Und, wer weiß, vielleicht liest jemand einen meiner Beiträge und fühlt sich verstanden. Vielleicht ist jemand überrascht und denkt, ach, so kann man das also auch sehen. Ich habe keine Mission, möchte auch niemanden bekehren. Es geht mir ums Teilen und wie heißt es so schön im Englischen: Sharing is Caring.


Bild von gottjott auf Pixabay

Ein Gedanke zu „Trau‘ dich“

  1. Gute Entscheidung! Mehr Austausch, mehr Ideen, mehr Leben – Demokratie at its best. Ich freue mich darauf, die Diskussionen zu verfolgen. Ein gewisses Grundvertrauen in deine LeserInnen gehört dazu. In meinem Blog mache ich kurzen Prozess: Wer die Netiquette nicht einhält, fliegt raus.

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