Freie Assoziation

Freie Assoziation freier Individuen, hieß es vor langer Zeit einmal. Gemeint war der Zusammenschluss, der gar keiner sein sollte. Man begegnete sich für ein gemeinsames Vorhaben, ein Ziel, ein Projekt, eine Aktion. Und man ging wieder seiner Wege, wenn das Gemeinsame zu einem Ende gekommen war. Es gab keine Verpflichtung, keinen Schwur auf eine Fahne, eine Parole, eine Partei, eine Nation oder sonst etwas. Es gab nur die gemeinsame Sache, die Tat, für eine ungefähre Zeit. Anarchie wurde dies Verhalten genannt. Die sich dem anschlossen, waren Anarchisten.

Lebten die einen nach der Devise „Jedem nach seinen Taten“ (Bakunin u.a.), so forderten die anderen „Jedem nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ (Kropotkin u.a.). Dies fiel mir ein während ich eben noch die Wäsche zum Trocknen aufhing. Den Spruch von Kropotkin hatte ich mir sogar an die Zimmerwand geschrieben als ich fünfzehn Jahre alt war. Sehr zum Unbehagen meiner Eltern, die doch hofften, dass das Gespenst des Kommunismus mit dem Tod des Großvaters ein Ende gefunden haben mochte. Jetzt also auch der eigene Sohn. Der wiederum wusste garnicht so genau, was er da an die Wand gekritzelt hatte, fand es nur irgendwie passend. Wenn es uns gelänge, jedem nach seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten gerecht zu werden, dann müsste es doch klappen mit der Gerechtigkeit für Alle, so dachte ich damals.

Gerade kommt mir in den Sinn, dass es doch schwierig werden könnte, wenn der eine sein Bedürfnis nach einem Porsche stillen möchte, der andere das Bedürfnis nach einer Auto freien Gesellschaft. Was dann? Wer entscheidet? Das Politbüro? Das scheint mir noch nicht zu Ende gedacht. Noch etwas anderes fiel mir ein beim Aufhängen der feuchten Hemden und Socken. Ich hatte sie mit einem Waschmittel gewaschen, das mit einem Geruch daher kommt, der mir bekannt vorkam. Wir haben normalerweise keine Waschmittel mit Geruch. Dass es dieses hier gibt, hängt mit einem Vergleich der Preise zusammen, den ich im Drogeriemarkt vorgenommen hatte, es war das billigste von allen. Nun also dieser penetrante parfümierte Geruch, der mich gedanklich in die Vergangenheit katapultierte. Persilgeruch. So oder ähnlich hat wohl die Wäsche gerochen, wenn sie aus der Maschine kam. Damals wurde noch Weichspüler hinzugetan, was dann die Fülle an künstlichen Gerüchen vermehrte.

An den Kleidungsstücken der Freunde und Bekannten ließ sich erriechen, welches Wasch- und Weichspülmittel deren Eltern favorisierten. Persil oder Weißer Riese oder Dash. Perwoll sollte ja nicht nur gut sein für das Gewebe, sondern auch für die Waschmaschine. Und Deutschlands Frauen wussten damals, was für die Familie gut war. „Seht ihr drüben Mitbewohner das Hygieneinstut? Dort wo euch der Weiße Riese die Gehirne waschen tut. Bis dorthin reichte damals unsre Vaterstadt. Dort lebten die im Aussatz, die man nicht ertragen hat.“ So sang es Degenhardt einst und, dass es mir hier einfällt ist ein schönes Beispiel für die freie Assoziation. Allerdings nicht der freien Individuen, sondern der Gedanken, Erinnerungen, Bilder und Gerüche. Ich freue mich immer wieder, wenn ich diesen Zirkus in mir entdecke und am Leben erhalten kann.

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