Herbst auf der ganzen Linie

Das Jahr vergeht in Monatsraten.
Es ist schon wieder fast vorbei.
Und was man tut, sind selten Taten.
Das, was man tut, ist Tuerei.

So meint es zumindest Erich Kästner in seinem Gedicht „Herbst auf der ganzen Linie“ aus dem Jahr 1931. Dieses Wort „Tuerei“ hatte sich heute morgen bei mir festgekrallt. Tuerei. Wieviel von dem, was ich tue, ist Tuerei? Schlimmer wird es, wenn ich mir überlege, wie viel von dem, was ich getan habe, war Tuerei? Das kann ziemlich deprimieren und den Herbst-Blues fördern. Ich hatte im letzten Dialog-Treffen für das nächste vorgeschlagen, wir könnten uns darüber austauschen, wie wir in den nächsten Jahren gelebt haben wollen. Futur II als Möglichkeit, über sein Leben rückblickend zu erzählen, zum Beispiel aus der Sicht des Jahres 2035. Wie möchte ich mein Leben erinnern, was möchte ich erzählen können?

Das treibt mich um. Wenn ich von heute aus rückblickend mein Leben erinnere, dann fallen mir die Orte ein, wo ich gewohnt habe, die Menschen, denen ich begegnet bin. Dann kann ich auch Arbeitsplätze und die damit verbundenen Tätigkeiten erinnern. Urlaube, Feste, Geburten der Kinder, berufliche Erfolge. Natürlich picke ich mir die angenehmen Erinnerungen heraus und habe auch vieles vergessen, was in den zurückliegenden Jahren geschah.

Was möchte ich erzählen von dem, das ich die nächsten zehn Jahre erlebe? Was möchte ich erleben? Wie soll meine Umgebung, wie das Miteinander aussehen? Werde ich dazu beigetragen haben, dass ein friedliches Miteinander möglich wurde? Werde ich zufrieden sein können, mit all dem, was ich getan habe? Werde ich Menschen, denen ich begegnete noch in die Augen schauen können? Wird es mehr zu berichten geben als eine Anhäufung von Tuerei? Oder, wie Kästner weiter schreibt:

Wird man denn wirklich nur geboren,
Um, wie die Jahre, zu vergehn?
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Es ist grau draußen und naß, mag sein, dass solch eine Witterung diese Stimmung auslöst bei mir. Ein November-Blues. Und wem es gelingt, den Blick auf das Positive zu richten, wird sehen, dass in den Korridoren die Türen offen stehen. Da ist also noch einiges möglich …


Wer das vollständige Gedicht zum Herbst auf der ganzen Linie lesen möchte, kann es hier finden. Eine sehr schöne Vertonung gibt es von der Band „Schlagsaite“ und ist hier zu finden (leider mit Werbung zu Beginn).

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