Vor dem Beginn eines Workshops oder einer Seminarveranstaltung werden manchmal Teilnehmerlisten verteilt. Wenn es sich um mir fremde Menschen handelt, dann bin ich neugierig zu wissen, ob es Informationen über diese gibt. Da das Netz nichts vergisst, finden sich immer irgendwelche Spuren. Sobald ich dann einen Namen im Suchfeld eingebe, in Anführungszeichen, erhalte ich zugehörige Informationen. Ärgerlich sind für mich solche, die mit meiner Sucheingabe wenig zu tun haben. Da werden Seiten angezeigt mit dem richtigen Familiennamen, jedoch mit anderem Vornamen. Oder die Ergebnisseite befindet sich hinter einer Bezahlschranke oder kann nur über eine Anmeldeprozedur eingesehen werden.
So viel Umstand wollte ich ja garnicht. Ich wollte nur wissen, ob ich irgendetwas über die von mir eingegebene Person erfahren kann. Dieses Mal erwischte es mich kalt: Die von mir eingegebene Person war verstorben. Eine Traueranzeige trug den selben Namen. Bei näherem Hinsehen war darin jedoch von der lieben Mutter, Oma und Urgroßmutter die Rede, die in hohem Alter verstorben war. Das kann dann nicht die von mir gesuchte Person gewesen sein. Es gibt so viele Namen, die mehrfach zu finden sind, wenn ich nach diesen suche. Die Müllers und Schmidts sind natürlich weit verbreitet und ich bedaure meine Mitmenschen mit diesen Namen, wenn sie sich eine E-Mail Adresse einrichten.
Natürlich suche ich ab und an auch nach meinem Namen. Ich möchte wissen, was das Netz über mich nicht vergessen hat. Vor allem, was andere Suchende über mich erfahren könnten. Lange Zeit war dabei ein etwas frecher Beitrag von mir zu finden zu einer Homepage meines ehemaligen Wohnortes. Ich schämte mich dessen, wenn ich es wieder sah und bin froh, dass dieser Eintrag heute nicht mehr zu finden ist. Andere Einträge lassen sich fast als roter Faden lesen durch mein berufliches Leben. Ach, denke ich, das habe ich damals von mir gegeben? Dieses Thema war mir wichtig? Manch‘ alter Eintrag war mir wieder entfallen und beim Lesen werde ich daran erinnert, dass ich einmal im Themenbereich E-Learning unterwegs war.
Während meiner Zeit als Student der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft an der Uni Freiburg begegnete mir ein bekannter Name bei der Lektüre eines Theaterstückes von Frank Wedekind. In seinem damals skandalösen Stück „Frühlingserwachen“ kommt eine Person vor mit dem Namen Martha Bessell. Damals fragt ich mich, woher kannte er meine Großmutter? Oder war es ein Zufall, dass er sich einen Namen ausdachte, dessen Vor- und Familiennamen mit einer mir bekannten Person übereinstimmt? Doch bei genauerem Hinsehen musste ich erfahren, dass es eine Bekanntschaft nicht gegeben haben kann. Sein Stück erschien 1891, da war meine Großmutter noch nicht geboren.
Die schlafende Schöne im Bild oben hat eine berührende Geschichte. Sie starb mit 16 Jahren an Tuberkulose und der Volksmund sagt, ihr Geliebter konnte ihren Tod nicht verschmerzen und brachte ihr jeden Tag frische Blumen ans Grab. Diese Tradition wird bis heute fortgesetzt. Niemand weiß, von wem.
Abbildung: Photo: © Jörgens.Mi/Wikipedia, Licence: CC-BY-SA 3.0, Source: Wikimedia Commons