Abflug

Von Freitag bis Freitag bin ich nun in Bulgarien gewesen. Ich habe einiges erlebt und vor allem intensive Zeit mit Rumen verbracht. Die Nacht war durchwachsen, plötzlich wurde ich wach und konnte erst nach eineinhalb Stunden wieder einschlafen. Vielleicht ist es die Unruhe vor dem Abflug, vielleicht der bevorstehende Abschied, der mich nicht schlafen ließ. Am Morgen hatte ich den Eindruck, alles recht langsam zu tun, keine Lust zu haben für das Packen meiner sieben Sachen. Es war genug Zeit dafür vorhanden. Um 14:00 Uhr sollte mein Mietwagen in Sofia sein, so war es vereinbart. Um 16:15 Uhr geht der Flieger nach Berlin. War ich auf der Hinfahrt fast drei Stunden unterwegs, so brauchte ich zurück nur eineinhalb Stunden. Der Shuttle-Bus brachte mich von Terminal 1 zu Terminal 2 und da sitze ich nun mit Kaffee und Croissant.

Es gibt dieses Café, jedoch kein Restaurant

Jetzt gilt es Zeit totzuschlagen. Eigentlich eine furchtbare Metapher, wo doch die Lebenszeit selbst recht kurz ist. Warum sollte dann die Zeit bis zum Abflug totgeschlagen werden? Ich kenne das von anderen Besuchen. Wenn die intensive Zeit des Austausches vorbei ist, der Besuch gegangen oder ich selbst mich verabschiedet habe, dann entsteht ein Loch. Ein Zeitloch. Zurückgeworfen auf mich selbst, muss ich nun sehen, wie ich zurecht komme. Rumen ist bei seinen Nachbarn zum Essen eingeladen, er hat noch einen Puffer bis das Zeitloch kommt. Ich schreibe hier meinen Beitrag und vertreibe mir die Zeit. Es wäre toll, wenn es für Wartende Räume gäbe, wo sie sitzen, liegen, schlafen könnten oder einfach in Ruhe meditieren. Da wäre ich dabei. Es gibt schon an unterschiedlichen Orten Räume der Stille. Die zu kennen, kann hilfreich sein, wenn die Zeit lang wird oder der Stresslevel zu hoch.

Bei unseren Besuchen in Städten konnten Kerstin und ich oft schon feststellen, wie unsinnig es ist, gestresst oder hungrig durch fremde Orte zu laufen. Wir haben uns angewöhnt, zuerst eine Pause einzulegen und, falls nötig, etwas zu essen. Aus solch einer Ruhephase heraus ist eine Stadterkundung um einiges stressfreier. Auch Kirchen eignen sich sehr gut, um dem Getümmel der Straßen zu entkommen. Nur muss man dafür rechtzeitig merken, dass es wieder mal zu viel wird mit den neuen Eindrücken, dem Lärm, dem Gewusel. Mit Kindern ist das einfacher, die schreien einfach los, wenn es ihnen zu viel wird. Sie sind für solche Momente gute Seismografen. Wobei ein schreiendes Kind auch für noch mehr Stress sorgen kann, wenn die Umgebung sich gestört fühlt. Nun, hier im Terminal 2 ist alles noch im grünen Bereich. Kein schreiendes Kind, kein Lärm, nur das ferne Gemurmel fremder Sprachen.

Vorhin bekam ich noch eine gute Nachricht von Rumen. Ich hatte in meinem Gästezimmer das kleine Waschbecken aus der Wand gebrochen. Nein, nicht mit Absicht, es passierte, als ich mich aufstützte. Danach war es nicht mehr im Lot, hing etwas traurig an der Wand. Der Verputz lag auf dem Boden und ich traute mich nicht mehr, es zu benützen. Rumen beruhigte mich mit den Worten, es sei eh nicht richtig befestigt gewesen. Er machte sich sogleich an die Reparatur und stellte fest, es war ein Wunder, dass es überhaupt noch an der Wand hing. Die Wand besteht aus Hohlziegeln, die eingefügten Spreizdübel hatten gar keinen Halt und waren zur Befestigung vollkommen ungeeignet. Also wurde das Waschbecken abmontiert und Rumen bediente sich der bulgarischen Methode für Reparaturen am Haus: Bauschaum. Es war eine ziemlich große Menge, die er in die Löcher sprühte. Die alten Dübel mit den Befestigungsgewinden waren schnell eingepasst. Heute Morgen fühlte sich der herausquellende Bauschaum fest an und Rumen konnte das Waschbecken wieder befestigen. So teilte er es mir zumindest mit: Entwarnung an der Waschbecken-Front. Es hängt wieder an seinem Ort.

Passt, sitzt, wackelt und hat Luft.

Ich hinterlasse nicht gerne solche Arten von Andenken an meinen Besuch bei Freunden. Von daher bin ich recht froh, dass es sich zum Guten wendete. Was die Orte der Stille anbelangt, so gibt es eine sehr hilfreiche Website. Bekannte von uns in Bremen haben diese in die Welt gebracht. Man kann Ortsnamen oder Postleitzahlen als Suchbegriff eingeben, um einen passenden Ort zu finden. Außerdem erfährt man eine ganze Menge über diese friedlichen Rückzugsmöglichkeiten.

Orte und Worte der Stille

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