Schnitzel König

Wir hatten uns für acht Uhr morgens verabredet, denn es musste einiges vorbereitet werden. Das Wetter ließ es nicht zu, dass wir mit zehn Leuten auf der Veranda sitzen, also wurden die Tische in der Wohnküche arrangiert. Die Arbeiten waren schon am Vorabend aufgeteilt worden. Rumen bereitet die Schnitzel vor, ich schäle Kartoffeln, schneide Tomaten, Zwiebeln und zerlege Erdbeeren. Soweit so gut. Gleich nach dem Frühstück fing Rumen sein ohrenbetäubendes Klopfen an. Die armen Fleischfladen wurden ordentlich verhauen, mit Salz eingerieben und paniert. Der Krautsalat wurde am Vorabend schon zubereitet, da dieser noch besser schmeckt, wenn er eine Nacht gestanden hat. Während Rumen die Schnitzel in der Pfanne briet, las ich ihm vor. Die Kolumne von Peter Bichsel mit der Überschrift „Die wunderschöne Landschaft Bulgariens“ passt hierher. Darin wird aufgezeigt, dass Fotografieren allein nicht ausreicht, um ein Land kennenzulernen. Das sei Beobachten, schreibt Bichsel, und nicht schauen. „Der Beobachter weiß zum voraus, was er zu sehen hat. Beobachten ist Schauen mit Vorurteil.“

Geschaut oder Beobachtet?

In Bulgarien werden die Tomaten, die Zwiebeln und der Schafskäse nicht zusammengeschmissen wie beim Griechen. Nur beim Schopska-Salat ist das der Fall. Jeder nimmt sich mit seiner Gabel vom Teller, was er gerade braucht. Zu Trinken gab es Rakia und wer wollte bekam Whiskey, Bier oder Holunderblütensirup. Der alte Nachbar war der Meinung Whiskey sei Parfüm, er hielt sich lieber an den bulgarischen Schnaps. Nachdem Tomaten und Käse verspeist waren, füllte Rumen die Teller mit Kartoffelpüree, Schnitzel und Krautsalat. Die Gäste waren schon nach dem ersten Bissen des Lobes voll und stießen an auf ihren Schnitzel-König. Die Gespräche kreisten um unterschiedliche Themen und manch ein ernster Vortrag endete in einem schallenden Gelächter der ganzen Runde. Außer mir. Ich verstand kein einziges Wort und versuchte trotzdem gute Mine zu machen, an den richtigen Stellen aufmerksam zu schauen und ab und an zu nicken, wenn beim Sprechen auch ich angeschaut wurde. Das ist anstrengend auf die Dauer. Ich erinnerte mich an meine Schweigewoche im Haus der Stille an der Nordseeküste. Dort trug ich ein rotes Band, das den anderen Gästen signalisierte, dass ich im Schweigen war. Das tat gut, kein Gesicht machen zu müssen und auch blöde vor mich hingucken zu dürfen. Hier war mir das nur schwer möglich. Also hielt ich mich an meiner Gabel, meinem Messer und dem Bierglas fest. Mit Seitenblick auf meine Sitznachbarin, eine Bulgarin, taktete ich mich ein beim Trinken des Rakia. Ich wollte ja nicht aus der Reihe tanzen aber auch nicht dadurch auffallen, dass ich über die Strenge schlug.

Marmorkuchen auf bulgarisch

Um halb eins waren alle Gäste gekommen und gegen drei Uhr blieben nur noch Jerry und seine bulgarische Lebenspartnerin übrig. Zu viert tranken wir Rumens Lieblingskaffee, den Muckefuck, und aßen von seinem Marmorkuchen, den er am Abend zuvor mit großer Energie gebacken hatte. Da sein Backofen noch aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammt, war der Backvorgang nur schwer zu kontrollieren. Was aus der Röhre kam, sah aus wie ein Brikett. Als die schwarze Kruste abgeschabt war, entpuppte es sich als essbar und schmackhaft.

Natürlich gab es auch Geschenke, wobei mir eines besonders ins Auge fiel. Die tönerne Platte mit dem Dorn in der Mitte dient dazu, ein Hähnchen im Ofen zu braten. Es ist ein bulgarischer Hähnchenbräter. Der hohle Mitteldorn wird mit Bier gefüllt, dieses verdampft beim Braten und hält das Hähnchen von Innen feucht. Angeblich erzeugt es auch ein dezentes Bieraroma.

Das müssen mächtige Hähnchen sein.

Auch die Sonne freute sich über Rumens Geburtstagsfest. Sie kam im Laufe des Mittags hinter den Wolken hervor und ließ die Temperaturen spürbar ansteigen.

Sonnenschein über dem zukünftigen Eselstall

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