Wir waren heute demonstrieren. Das passiert nicht oft in meinem Leben. Heute musste es jedoch sein, weil wir schon im letzten Jahr am Ostermarsch hier in Bremen teilgenommen hatten. Auch, weil mir sehr danach war, Menschen zu treffen, die für den Erhalt des Friedens auf die Straße gehen. Zuvor hatte ich noch gelesen, dass diese Ostermärsche aus der Zeit gefallen seien. Ritualisierte Ostermärsche würden nichts ausrichten, so der Bremer Sozialwissenschaftler Rudolph Bauer. Den Frieden zu beschwören, verhindere keinen Krieg. Das mag sein. Dennoch war ich froh, mich unter all jene mischen zu können, die sich laut bemerkbar machen und sich mit ihrem Anliegen zeigen.
Mir gab es die Sicherheit, nicht selbst aus der Zeit gefallen zu sein mit meinem Blick auf die Kriegstreiber und deren medial aufbereiteten Auswürfen. Mit uns liefen heute fast 800 Menschen vom Friedenstunnel in Richtung Innenstadt. So zumindest stand es anschließend in der lokalen Zeitung. Der Friedenstunnel hier in Bremen eignet sich hervorragend als Ausgangspunkt einer Demonstration für den Frieden. Eigentlich trägt die Bahnunterführung den Namen Rembertitunnel. Doch seit 2015 darf sie sich Friedenstunnel nennen. Die Bremer Künstlerin, Regina Heygster, hatte das Projekt ins Leben gerufen und mit sehr viel Energie und Ausdauer umgesetzt. An den Tunnelwänden sind 82 Texttafeln zu sehen mit Friedens- und Weisheitstexten aller Weltreligionen. Das Wort Frieden wird in einem 100 Meter langen Mosaik in 135 Sprachen dargestellt. Nicht jedem Bremer ist bewusst, was es mit diesem Projekt auf sich hat. Bei der Durchsage zur Straßenbahnhaltestelle „Rembertistraße/Friedenstunnel“ meinte ein älterer Mitbürger abfällig, Friedenstunnel, was soll das sein.
Während unseres Marsches durch die Innenstadt hatte ich den Eindruck, die Menschen auf den Bürgersteigen nehmen uns mißmutig wahr. So ein Demonstrationszug stört die Ruhe. Straßenbahnen, Busse und Pkws müssen warten bis der Zug die Kreuzungen und Straßen wieder verlassen hat. Manche jedoch schauten interessiert auf die bunte Schar mit ihren Transparenten und Fahnen. Bunt und laut waren vor allem jene Gruppen, die sich mit Sprechchören bemerkbar machten. Auch palästinensische Fahnen waren zu sehen und das laut skandierte „Free Palastine“ zu hören. Im letzten Jahr war noch die Auflage ergangen, es mögen keine Staatsflaggen oder andere politische Symbole gezeigt werden. Heute war dies nicht der Fall. Auf der Abschlusskundgebung wurde ein Gedicht eines palästinensischen Lyrikers vorgetragen auf Arabisch und in deutscher Übersetzung. Ein weiterer Sprecher nahm explizit Bezug auf die Situation in Palästina. Sie gehörten dazu. Wer für den Frieden ist, sollte niemanden ausgrenzen.
Am Ende der Kundgebung vor dem Bremer Senat wurden wir mit einem Zitat von Rosa Luxemburg entlassen. „Dann sieh, dass Du Mensch bleibst: Mensch sein ist vor allem die Hauptsache. Und das heißt: fest und klar und heiter sein, ja heiter trotz alledem und alledem, denn das Heulen ist Geschäft der Schwäche.“ Das möchte ich mir gerne zu Herzen nehmen und mich daran erinnern, wenn ich ob der Weltlage wieder mal zum Heulen neige.