Worpswede

Nun also sind wir angekommen in Worpswede. Gemeinsam mit zehn anderen Menschen erproben wir uns im dialogischen Austausch. Wie bei allen Seminaren oder Workshops, so ist es auch hier nicht unwichtig, in welcher Umgebung die Zusammenkunft stattfindet. So mancher Feedbackbogen, den ich früher in meinen Workshops zurück erhielt, fiel schlecht aus, weil das Essen schlecht war oder das Wetter oder die Atmosphäre oder einfach nur das Bett. Plötzlich geht es dann nicht mehr um die Inhalte und die Kunst des Dozenten bei der Vermittlung. Stimmt die Umgebung nicht, dann geraten Methodik, Didaktik und Gruppenprozesse in den Hintergrund.

So geht es mir zumindest. Auch, wenn ich mich anstrenge, ein einigermaßen gerechtes Feedback zu erteilen, wird es getrübt durch eine als unangenehm erlebte Umgebung. Hier in dieser kleinen Pension in Worpswede muss ich kein Feedback geben. Es handelt sich nicht um ein Seminar oder einen Workshop. Wir sitzen im Kreis zusammen und schauen, was passiert. Den ganzen Vormittag verbrachten wir damit uns zu berichten, wie wir da sind, wie es uns geht und wie das vergangene Jahr gewesen war. Nach einer kurzen Pause kam es zu einer Dialogrunde ohne besonderes Thema, ein generativer Dialog. Das Thema ergibt sich aus den Beiträgen der Anwesenden. Diesmal geschah lange Zeit nichts, wir begegneten uns im Schweigen.

Früher konnte ich solche Situationen kaum ertragen. Es erinnerte mich an das Zwinkern-Spiel, das wir als Kinder spielten. Wer die Augen offen halten konnte ohne zu zwinkern, der hatte gewonnen. Wer das Schweigen am längsten aushält, hat gewonnen, so dachte ich mir. Dabei geht es gar nicht darum. Es ist kein Wettbewerb, kein Aushalten müssen. Mir tut es heute sehr gut, diese Ruhe, dieses Schweigen gemeinsam mit anderen zu erleben. Wie in der Meditation wechseln sich meine Gedanken ab. Sie werden gespeist durch die vorhergegangenen Erzählungen oder Erinnerungsresten aus den Tagen vor der Anreise. Irgendwann nimmt ein Gedanke so viel Raum ein, dass ich ihn mitteilen möchte. Dann stehe ich auf, hole mir das Redeobjekt und teile den anderen mit, was mich da gerade bewegt.

Das war es dann. Da kann jemand darauf eingehen, muss aber nicht. Vielleicht steht jemand auf, nimmt sich das Redeobjekt und teilt das mit, was gerade präsent ist. Oft passt am Ende alles Gesagte zusammen. Jeder, jede hat sich gezeigt, hat sich mitgeteilt und es entstand etwas Gemeinsames, das dem eigenen Gedankenstrom einverleibt wird. Selbst dann, wenn die Mitteilungen der Anderen meine Sicht, mein Weltbild durchkreuzen oder gar diametral entgegengesetzt sind, ist es gut. Mir zeigt es wieder einmal wie unterschiedlich der Blick auf die Welt sein kann. Und es zeigt mir, dass es trotz alledem möglich ist miteinander in Kontakt zu bleiben. Wie sagte doch einmal ein flüchtiger Bekannter: „Freunde sind Menschen mit denen man zusammen ist, obwohl man sie kennt.“