Eben klingelte es Sturm. Wie so oft war die Nachbarin von oben schon vor mir an der Haustür. Wie kommt das, frage ich mich dann. Hat sie einen Spiegel angebracht, außen am Fenster und sieht, wer an der Haustür klingelt? Unsere Nachbarin ist jung, nicht so mißtrauisch wie manche alten Menschen. Oder gar unbeweglich und langsam. Sie ist als Aerobic-Trainerin sehr beweglich und vielleicht nur deswegen so schnell an der Tür.
Nun also musste sie erfahren, dass der DHL-Bote nichts für sie brachte. Das beruhigte mich, denn ich kann es nicht lassen laut zu schreien, wenn mir gleich mehrere Zalando-Pakete in die Arme gedrückt werden. Das ist ein Automatismus, den ich nach dem unfreiwilligen Konsum einer Zalando-Werbung mir angeeignet habe. Nun also keine Paketannahme für die junge Nachbarin. Der DHL-Bote meinte, er müsse etwas abholen bei mir. Das war korrekt, denn ich wollte einen Radiator wieder loswerden, den ich vor vierzehn Tagen angeliefert bekam.
Den Radiator hatte ich nach langen Vergleichen auf unterschiedlichen Internetseiten ausgewählt und bestellt. Ich weiß aus den vergangenen Wintern, dass unsere Gaszentralheizung die hohen Räume des Altbaus nicht warm bekommt. Zumindest nicht für mich. Kerstin hält mich für verfroren. Ich erinnere sie dann daran, dass ich im Oktober geboren wurde und vier Wochen zu früh. Wer, wenn nicht ich, hat denn allen Grund verfroren zu sein? Kurzum, das Gerät kam und ich hatte schon während des Bestellvorgangs ein sonderbares Gefühl. Ich erinnerte mich an die Wohnung meines Schwiegervaters und das Zimmer, das er überwiegend bewohnt. Dort steht neben einem Nachtspeicherofen ein Radiator. Beide laufen auf vollen Touren. Wenn wir zu Besuch kommen, dann reißen wir als erstes die Fenster auf, um Luft zu schnappen.
Bin ich schon so weit, fragte ich mich. Er ist 83 Jahre alt, ich noch lange nicht. Er bewegt sich kaum, kann schwer nur gehen. Das ist bei mir noch nicht der Fall. Dennoch, das Bestellen eines Radiators in meinem Alter, kam mir sonderbar vor. Aber nur so lange, wie ich nicht daran dachte, dass ja unsere Heizung ausgefallen war. Wir waren schon eine Woche ohne Wärme, die mir trotz warmen Herbstwetters gerade in den Abendstunden fehlte. Mittlerweile ist die Heizung ausgetauscht und funktioniert. Der Radiator hätte irgendwo in einer Kammer sein Dasein fristen dürfen bis zum nächsten Kälteeinbruch. Unsere Kammern sind voll, da gibt es keinen Platz. Also nahm ich vom Umtauschrecht Gebrauch und meldete das Paket zur Abholung an.
Einerseits praktisch, andererseits ein Zeichen zunehmender Dekadenz. Am Bildschirm bestellt, ausprobiert zuhause, am Bildschirm zum Abholen gebucht. Der DHL-Bote erschrak ein wenig, als er das Paket sah. Also half ich ihm beim Tragen und beim Einstellen ins Fahrzeug. Eine gute Tat rettet den Tag, dachte ich mir und schob meine Selbstkritik beiseite.
Abbildung: Stephan Kühn CC BY-SA 3.0